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Um die Folgen des Klimawandels bei der Stadtentwicklung stärker zu berücksichtigen, hat die Stadt Wetzlar eine Stadtklima- und Vulnerabilitätsanalyse für das Stadtgebiet erstellt.

Die Analyse ist eine Maßnahme des Aktionsplans Klimaschutz- und Klimawandelanpassung und wurde mit Landesmitteln gefördert.

Stadtklima-Analyse Wetzlar

Ergebnisse

HINWEIS: Hervorgehobene Textstellen weisen darauf hin, dass im Download-Bereich (siehe unten) entsprechende Unterlagen zur Verfügung stehen.

Das Endprodukt der Stadtklimaanalyse ist die Planungshinweiskarte.

Darin eingeflossen sind die Ergebnisse der klimatischen Bewertung der Siedlungs- und Ausgleichsflächen und der Vulnerabilitätsanalyse.

Die klimatische Bewertung beruht auf der Modellierung der Klimafunktionen (beispielsweise Kaltluftentstehung) und der Wärmebelastung von Flächen in Wetzlar.

Die Vulnerabilitätsanalyse (Sensitivitätsanalyse) hat untersucht, an welchen Orten in der Stadt besonders viele Menschen wohnen, die besonders empfindlich gegenüber Hitzeereignissen sind (beispielsweise ältere Menschen, Kleinkinder oder sozial und ökonomisch benachteiligte Menschen). An diesen Orten sind der Handlungsdruck und der Bedarf an Anpassungsmaßnahmen besonders hoch.

In der Planungshinweiskarte werden Siedlungs- und Gewerbeflächen („Wirkraum“) und Grün- und Freiflächen („Ausgleichsraum“) nach unterschiedlichen Methoden bewertet.

Siedlungs- und Gewerbeflächen

Für den Wirkraum wird die Handlungspriorität abgestuft dargestellt. In bewohnten Gebieten wurden vor allem die nächtlichen Schlafbedingungen berücksichtigt. Für Gewerbe- und Verkehrsflächen wurde vor allem die Aufenthaltsqualität am Tag bewertet.

In Wetzlar wurden 11% der Siedlungs- und Gewerbeflächen sehr ungünstig und damit mit der Handlungspriorität 1 bewertet.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 1: Anteile der Handlungsprioritäten von Siedlungs- und Gewerbeflächen in Wetzlar.

Grün- und Freiflächen

Für den Ausgleichsraum wurde der Schutzbedarf bewertet. Bei der Bewertung wurde sowohl die Bedeutung der Grün- und Freiflächen für den Kaltlufthaushalt berücksichtigt, als auch die Möglichkeit, diese an heißen Tagen zur Abkühlung aufzusuchen.

In Wetzlar haben 15% der Ausgleichsflächen einen sehr hohen Schutzbedarf.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 2: Anteile der Schutzbedarfskategorien von Grün- und Freiflächen in Wetzlar.

Anhand ausgewählter Beispiele wird nun die Interpretation der Planungshinweiskarte erläutert. Wichtige Klimafunktionen und Maßnahmen für eine klimagerechte Stadtentwicklung werden aufgezeigt.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 3: Planungshinweiskarte der Stadt Wetzlar mit ausgewählten Flächen zur Erläuterung der Klimafunktionen und Maßnahmen für eine klimagerechte Stadtentwicklung.
  1. Wald-, Grün- und Freiflächen produzieren Frisch- und Kaltluft (siehe hierzu auch die Einzelparameterkarte Kaltluftproduktionsrate oder die Klimaanalysekarte)
  2. Durch Grünzüge strömt Frisch- und Kaltluft in angrenzende Stadtviertel (relevante Flächen erkennen Sie anhand der großen blauen Pfeile im Kartenwerk)
  3. Hoch versiegelte Gebiete heizen sich auf (siehe vor allem Wirkraum-Flächen mit Handlungspriorität 1 in der Planungshinweiskarte oder auch die Einzelparameterkarten Temperaturen)
  4. Parkanlagen sind kühle innerstädtische Rückzugsorte (Entlastungsräume sind mit kleinen grauen Punkten in der Planungshinweiskarte markiert)
  5. Öffentlich zugängliche und siedlungsnahe Grünflächen und Wälder sind Entlastungsräume an heißen Tagen (Entlastungsräume sind mit kleinen grauen Punkten in der Planungshinweiskarte markiert)
  6. Weniger dicht bebaute Siedlungsränder ermöglichen das Einströmen von Frisch- und Kaltluft (siehe auch Einzelparameterkarte Bodennahes Strömungsfeld)
  7. In sensitiven Gebieten leben Menschen mit einer höheren Hitzeempfindlichkeit. In diesen Gebieten sind Maßnahmen prioritär umzusetzen (siehe auch Sensitivitätsanalysekarte)
  8. Verschattete Verkehrsflächen bieten eine gute Aufenthaltsqualität für den Fuß- und Radverkehr (siehe vor allem Straßenzüge, die in der Planungshinweiskarte mit Handlungspriorität 1 bewertet wurden)

Um die Situation in belasteten Gebieten in Wetzlar zu verbessern, kommen verschiedene Maßnahmen in Frage. In der folgenden Grafik sind beispielhaft Maßnahmen aufgelistet. Im Abschlussbericht sind alle Maßnahmen in Form von Steckbriefen im Maßnahmenkatalog nachzulesen.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 4: Beispiel-Maßnahmen, sortiert nach der gewünschten Wirkung

Vorgehen

Zunächst wurde die klimatische Situation in Wetzlar mit Hilfe des Stadtklimamodells FITNAH-3D (Flow over Irregular Terrain with Natural and Anthropogenic Heat Sources) modelliert.

Als Eingangsdaten wurden unter anderem Informationen zur Landnutzung, Gelände- und Strukturhöhe und Versiegelung des Stadtgebiets verwendet.

Mit Hilfe des Modells wird für die Tag- und Nachtsituation örtlich ermittelt, welche Wärmebelastungen zu erwarten sind, wo die Kaltluft entsteht und wie sie ins Stadtgebiet eindringt. Beispielsweise kann über einer großflächigen Grünfläche wichtige Kaltluft zur Abkühlung des umliegenden Stadtgebiets entstehen, während über stark versiegelten Flächen ein Temperaturrückgang nur deutlich abgeschwächt stattfindet.

Anschließend wurden die Wärmebelastung und die Kaltluftfunktionen kartografisch dargestellt.

Die Ergebnisse wurden schließlich zusammengeführt (Klimaanalysekarte) und bewertet (Bewertungskarte Tag und Bewertungskarte Nacht). 

Ergänzend wurde die Vulnerabilitätsanalyse (Sensitivitätsanalyse) durchgeführt, um die Verteilung der hitzeempfindlichen Bevölkerungsgruppen in Wetzlar aufzuzeigen. 

Alle Ergebnisse sind in die abschließende Bewertung in der Planungshinweiskarte eingeflossen.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 5: Dreistufiger Prozess der Stadtklimaanalyse.

Hintergrund

Der Klimawandel hat spürbare Auswirkungen auf Städte.

Das Stadtklima unterscheidet sich vom Klima im weitgehend natürlichen, unbebauten Umland. Anthropogene Einflüsse verursachen im Sommer höhere Temperaturen und bioklimatische Belastungen. Das Phänomen der Überwärmung wirkt sich vor allem nachts aus und wird als städtische Wärmeinsel bezeichnet.

Auch aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte besteht in Städten ein hoher Handlungsdruck, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Die Erhöhung der globalen Mitteltemperaturen wirkt sich auch auf das Stadtklima in Wetzlar aus und verändert dieses langfristig.

Bezogen auf die letzten 30 Jahre (1991 bis 2020) wurde eine langjährige Mitteltemperatur von 9,6 °C nachgewiesen, was bereits einem Anstieg von 0,8 °C im Vergleich zum Referenzzeitraum (1971 bis 2000) entspricht.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 6: Abweichung der Mitteltemperatur (in °C) vom langjährigen Mittel (1971 – 2000) in Wetzlar. (Daten: DWD, Darstellung: GEO-NET)

In Wetzlar zeigt sich ebenfalls ein Anstieg diverser Kenntage. Im Vergleich der Periode 1991 bis 2020 zu 1971 bis 2000 ist die Anzahl an Sommertagen (Tage mit mehr als 25°C) im Mittel von 35 auf 45 pro Jahr und die Anzahl an Heißen Tagen (Tage mit mehr als 30°C) von 6 auf 10 pro Jahr gestiegen.

Stadtklima-Analyse Wetzlar
Abbildung 7: Räumliche Darstellung der Anzahl Heißer Tage in verschiedenen Perioden in Wetzlar. (Daten: DWD, Darstellung: GEO-NET)

Gleichzeitig weisen vulnerable Gruppen wie Senioren, Kleinkinder oder ökonomisch und sozial benachteiligte Menschen eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Hitzeextremen auf. Beispielsweise ergibt sich die höhere Gefährdung von ökonomisch und sozial Benachteiligten aus einer Kombination von schlechten Wohnbedingungen, erschwerten Anpassungsmöglichkeiten, geringer Teilhabe und teilweise schlechterem Gesundheitszustand.

Fragen und Antworten

1. Warum ist es sinnvoll, dass die Stadt Wetzlar eine Stadtklimaanalyse erstellt hat?

Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch in Wetzlar weiter zunehmen. Schon heute können deutliche Veränderungen des lokalen Klimas gemessen werden. Um die Klimafunktionen zu erhalten und zu stärken, das Stadtklima zu verbessern und die Bevölkerung bei Hitzeereignissen zu schützen, ist es zunächst erforderlich, das aktuelle Stadtklima umfassend und räumlich zu erfassen. Die wissenschaftlich fundierten Informationen und Materialien, die in der Stadtklimaanalyse erarbeitet wurden, stehen nun den Fachämtern und politischen Entscheidungsträgern zur Maßnahmenfindung und -priorisierung zur Verfügung.

2. Was folgt auf die Stadtklimaanalyse?

Die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse werden bei Stadtentwicklungen, insbesondere in der Bauleitplanung, von den Fachämter verwendet werden, um die Belange des Stadtklimas ausreichend zu berücksichtigen.

3. Welche Maßnahmen kann ich als Bauherr, Gebäudeeigentümer oder Mieter ergreifen, um die Hitzebelastung in meiner Wohnung zu reduzieren?

Der Maßnahmenkatalog (siehe Abschlussbericht) umfasst verschiedene Maßnahmen, die teils auch von privaten Eigentümerinnen und Eigentümern zur Reduzierung der Wärmebelastung im Außen- und Innenbereich umgesetzt werden können. Mieterinnen  und Mieter können vor allem auf Verschattung im Innenraum achten und gegebenenfalls auch die Raumnutzung anpassen. Besprechen Sie geeignete Maßnahmen am besten mit Ihren Vermieterinnen und Vermietern.

Des Weiteren empfehlen wir den Praxisratgeber Klimagerechtes Bauen des Deutschen Instituts für Urbanistik.

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