Von Champions-League-Siegern, deutschen Meistern und Traditionsvereinen
Die Römer hatten in der Nähe ihr Lager und selbst der Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe hat hier eine Zeit lang gelebt. Die Domstadt Wetzlar an der Lahn mit ihren 53.000 Einwohnern hat aber nicht nur eine spannende Historie aufzuweisen, sondern spielt auch im Bereich Sport ganz oben mit. Aktuell sind 82 Vereine mit rund 26.500 Mitgliedern gemeldet. Vom Spitzen- bis zum Breitensport, von American Football bis hin zu Zumba ist in Wetzlar so ziemlich alles vertreten. Viele Spitzensportler haben hier ihre Karriere begonnen, die in deutschen Meisterschaften oder gar dem Weltmeistertitel gipfelte. Andere hat erst die Karriere nach Wetzlar geführt. Von Fabian Hambüchen bis zur HSG Wetzlar, hier werden die wichtigsten Vereine und Sportler der Domstadt vorgestellt, die Wetzlar zur Sportstadt machen.
HSG Wetzlar: Die Domstadt in der Handball-Bundesliga
Der Handball-Bundesligist HSG Wetzlar spielt seit der Saison 2004/05 in der 5.000 Zuschauer fassenden Buderus Arena und wurde 1992 aus dem Zusammenschluss des TSV Dutenhofen und dem TV Münchholzhausen gegründet. Seit dem Aufstieg in die Bundesliga in der Saison 1997/98 spielt die HSG durchgehend in der stärksten Liga der Welt und konnte 2013 mit dem ehemaligen Welthandballer Ivano Balic einen der ganz Großen verpflichten. Beim Gewinn der Europameisterschaft 2016 in Polen gehörten mit Andreas Wolff, Steffen Fäth und Jannik Kohlbacher auch drei Wetzlarer Spieler zum Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft. Unter dem aktuellen Trainer Kai Wandschneider erreichte man in der vergangenen Saison mit dem sechsten Platz die bisher beste Bundesligaplatzierung und hatte mit Philipp Weber den Torschützenkönig in seinen Reihen. So hat sich die HSG Wetzlar seit dem Aufstieg 1998 vom krassen Außenseiter zum etablierten Bundesligisten entwickelt und wird sich auch in Zukunft mit den größten Handball-Clubs der Welt wie THW Kiel und den Rhein-Neckar-Löwen messen dürfen.
RSV Lahn Dill: Der Serienmeister
Der RSV Lahn Dill ist im Rollstuhlbasketball in Deutschland klarer Branchenprimus und zählt auch international zu den Spitzenteams. Gegründet wurde der Verein 1983 und seit dem Aufstieg 1994 in die 1. Bundesliga befindet man sich auf einem regelrechten Höhenflug. Sechs Champions-League-Triumphe, jeweils 13 Pokaltitel und Meisterschaften hat der RSV vorzuweisen und ein Ende dieser Erfolgsstory ist noch lange nicht in Sicht. Heimspielstätte ist die August-Bebel-Sporthalle, die bis zu 1.800 Zuschauern Platz bietet. Ausgewählte Topspiele finden in der Wetzlarer Buderus Arena statt, wo am 22. November 2009 beim Bundesligaspiel gegen die BSC-Rollers Zwickau mit 3.900 Besuchern ein Zuschauerrekord aufgestellt werden konnte. Zur Saison 2017/18 wird Ralf Neumann den Trainerposten übernehmen. Er löst damit Nicolai Zeltinger ab, der in elf Jahren als RSV-Trainer 21 Titel sammeln konnte und somit einen wichtigen Teil der Erfolgsgeschichte des Vereins geschrieben hat.
FSV Hessen Wetzlar: Vom Durchmarsch in die 2. Bundesliga
Wetzlars Mannschaft des Jahres 2016 spielt seit 2015 in der 2. Frauenfußball-Bundesliga und hat seit der Gründung einer Frauenfußball-Abteilung bei Eintracht Wetzlar 2010 einen Durchmarsch hingelegt. 2015 gliederten sich die Frauenabteilungen bei der Eintracht aus und es wurde der FSV Hessen Wetzlar gegründet. Die Heimspiele werden im Stadion Wetzlar mit rund 8.000 Plätzen ausgetragen. Unter Trainer Achim Mohr und mit Spielführerin und U20-Weltmeisterin Kathrin Schermuly erreichte das mit einem Altersdurchschnitt von knapp 21 Jahren sehr junge Team in der vergangenen Saison den dritten Platz in der 2. Bundesliga Süd und verpasste nur knapp den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Dieser glückte allerdings der U17 von Wetzlar, die damit die kommende Saison erstklassig spielen werden. So ist auch die große Jugendabteilung des FSV hervorzuheben, die es kontinuierlich schafft, Eigengewächse in die erste Mannschaft zu führen. Bereits seit 2007 tragen beispielsweise Verteidigerin Maike Simbeck und Jacky Klippert das Wetzlarer Trikot und auch in der kommenden Saison werden sich wieder einige Talente in der ersten Mannschaft zeigen dürfen.
FunTastic Sports Wetzlar: Die Senkrechtstarter
FunTastic Sports Wetzlar wurde im Mai 2010 gegründet und verzeichnet aktuell 320 aktive Mitglieder ab fünf Jahren. Der Verein ist momentan in drei Abteilungen unterteilt: Cheerleading, Parkour und Calisthenics. Die Golden Spirit Cheerleader gehören mittlerweile zu den erfolgreichsten Cheerleader-Teams in Deutschland. So konnte das Team Amazing Spirit 2016 den deutschen Meistertitel in der Kategorie „Senior Coed Cheer“ nach Wetzlar holen. Außerdem treten fünf Teams der Golden Spirits immer bei den Heimspielen der HSG Wetzlar auf. Die Parkour-Abteilung hat im Oktober 2013 Deutschlands größten kombinierten In- und Outdoor-Parkour-Park seiner Art im Wetzlarer Stadtteil Westend eröffnet und wird von Julian Wagner und Alexander Latendorf trainiert. Bei den Calisthenics werden unter der Leitung von Nik Tibusek und Falk Trümmer Street Workouts angeboten. Mit bis zu 140 Trainingsteilnehmern gehören sie zu den größten Calisthenics-Gruppen in Deutschland. So war man beispielsweise Ausrichter des Calisthenics-Turniers „Bar Warrior Cup Wetzlar“ mit Athleten aus ganz Europa.
Fabian Hambüchen: Der Turnfloh
Der „Turnfloh“, wie Fabian Hambüchen gerne von den Medien genannt wird, ist 1987 in Bergisch Gladbach geboren und kurz nach seiner Geburt zog seine Familie in die Domstadt. Seither hat der Kunstturner eine beachtliche Karriere hingelegt. 2007 machte er an der Goetheschule in Wetzlar sein Abitur und noch im gleichen Jahr wurde er in seiner Paradedisziplin Reck Weltmeister. Es folgte die Bronzemedaille 2008 bei den olympischen Spielen in Peking, die Silbermedaille 2012 in London und schließlich die Goldmedaille 2016 in Rio de Janeiro. Nach seinem Olympiasieg trat Deutschlands Sportler des Jahres 2007 und 2016 von seiner internationalen Karriere zurück. Doch national turnt der mehrfache deutsche Meister noch weiterhin für seinen Verein KTV Obere Lahn in der Bundesliga. Denn schließlich möchte er seine beachtliche Bilanz von bisher 42 Meistertiteln noch aufbessern.
Dominik Stroh-Engel: Der Rekordtorschütze
1985 in Ehringshausen geboren, mit sieben Jahren beim RSV Büblingshausen mit dem Fußballspielen angefangen: So begann die Erfolgsstory von Dominik Stroh-Engel. Der Rechtsfuß ist derzeit beim Karlsruher SC in der dritten Liga unter Vertrag und war zuvor Teil des märchenhaften Aufstiegs vom SV Darmstadt 98. Besonders großen Anteil hatte der Mittelstürmer am Aufstieg in die 2. Bundesliga in der Saison 2013/14. Insgesamt 27 Treffer erzielte Stroh-Engel und hält damit bis heute den Torrekord eines Spielers in einer Drittliga-Saison. Auch in der Folgesaison traf er neunmal und konnte so seinen Beitrag zum Durchmarsch der Lilien in die 1. Bundesliga leisten. Nach dem sensationellen Klassenerhalt in der Saison 2015/16 und dem Abstieg in die 2. Bundesliga in der letzten Saison verließ der Publikumsliebling die Darmstädter Richtung Karlsruhe, wo er auch diese Saison wieder auf Torejagd gehen wird.
Nia Künzer: Die Weltmeisterin
Es läuft die 98. Minute im Home Depot Center in Carson im Jahr 2003. Im Finale der Frauenfußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Schweden steht es 1:1. Renate Lingor bringt den Freistoß in den Strafraum der Skandinavierinnen, Nia Künzer schraubt sich hoch und köpft den Ball unhaltbar ins Netz. 2:1 – Deutschland ist Weltmeister. Die Schützin des Golden Goal ist in Wetzlar aufgewachsen und startete ihre Karriere bei der Eintracht Wetzlar. Es folgten sieben Meistertitel mit dem 1. FFC Frankfurt und 34 Länderspiele für Deutschland. 2008 beendete sie ihre erfolgreiche Karriere. Auch heute noch lebt die ehemalige Defensivspielerin in der Domstadt und ist seit 2006 Frauenfußball-Expertin für die ARD.
Emir Ahmatovic: Projekt 2019
Emir Ahmatovic ist ein echter Kämpfer. Mit zwölf Jahren begann er zunächst mit Kickboxen, bis ihn Trainerlegende Günther Hainke zum Probetraining beim Boxen überredete. Innerhalb von nicht einmal vier Wochen machte Hainke ihn zum Hessenmeister. Nun eilte der Wetzlarer von Titel zu Titel und wechselte zum Boxteam Lahn, wo er in der Bundesliga boxen konnte. Hier erreichte er eine K.O.-Quote von 68 Prozent und holte bei der Europameisterschaft 2013 in Minsk Bronze im Schwergewicht. Vom Verletzungspech verfolgt, musste sich der Deutsche mit bosnischen Wurzeln immer wieder zurückkämpfen. Im Januar 2017 schließlich holte Coach Ulli Wegner Ahmatovic zum Sauerland Team, Deutschlands größtem Boxstall. Hier kennt der 30-Jährige nur ein Ziel: Er möchte 2019 um den Weltmeistertitel im Cruisergewicht kämpfen.
Mareike Adams: Die Olympionikin
Die Lehramtsstudentin startete 2002 bei der Rudergesellschaft Wetzlar mit dem Rudersport. Schon fünf Jahre später konnte sie sich bei der Junioren-Weltmeisterschaft 2007 den Titel im Doppelvierer sichern. Nur ein Jahr später folgte der Titel im Doppelzweier. Und der Erfolg wollte nicht enden. Bei der U23-WM 2010 siegte Adams im Doppelvierer, ein Jahr später im Doppelzweier. Silber sicherte sie sich jeweils bei den Europameisterschaften 2014 und 2016. Dazwischen holte sich die 27-Jährige auch noch Bronze bei der Weltmeisterschaft 2015 im Doppelzweier. Doch ihren bisher größten Erfolg feierte die Ruderin bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio. Zusammen mit Marie-Cathérine Arnold erreichte sie im Finale den siebten Platz.
Lisa Mayer: The Flash
Die gebürtige Gießenerin ist eine deutsche Leichtathletin und hat sich auf die 100- und 200-Meter-Läufe spezialisiert. Schon in der Jugend sammelte sie fleißig Titel um Titel. 2016 war dann das Jahr für die Germanistik- und Geographie-Studentin: Sie wurde deutsche Hallen-Vize-Meisterin über 200 Meter und deutsche Vize-Meisterin sowohl über die 100 als auch die 200 Meter. Zusammen mit der 4x-100-Meter-Staffel erreichte Mayer bei der Europameisterschaft den dritten Platz und bei den Olympischen Spielen in Rio einen sensationellen vierten Platz. 2017 folgte der Wechsel von der LG Langgöns/Oberkleen zum neu gegründeten Sprintteam Wetzlar, wo sie nun unter Rüdiger Harksen trainiert. Und auch dieses Jahr verläuft bisher erfolgreich. Bei den IAAF-World Relays, den inoffiziellen Staffel-Weltmeisterschaften auf den Bahamas, holte sie gegen die komplette internationale Topkonkurrenz mit der 4x-100-Meter-Staffel Gold. Und bei der WM in London schließlich lief die 21-Jährige mit dem deutschen Team bei der 100-Meter-Staffel nur knapp an Bronze vorbei auf den vierten Platz.
Von American Football bis zum Kegeln
Die Sportstadt Wetzlar hat nicht nur Spitzensport zu bieten. Auch im Breitensport ist so ziemlich alles vertreten. Von American Football, zahlreichen weiteren Fußballclubs, Kampfsportarten, Darts, Kanu- und Ski-Clubs, Tanz- und Schützenvereinen bis hin zum Kegeln ist für so ziemlich jeden Sportbegeisterten etwas dabei. So habe Wetzlar alles, was eine Sportstadt ausmacht, ist sich Wetzlars Sportamtsleiter Wendelin Müller sicher, nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Sportstätten-Infrastruktur. Neben dem als Leichtathletik-Leistungszentrum ausgezeichneten Stadion, dem Sport-Hallenbad „Europa“, der Buderus Arena oder dem Kletterzentrum „Cube“ des Deutschen Alpenvereins bietet auch die Lahn für wassersporttreibende Vereine viele Möglichkeiten. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch schon einige Großsportveranstaltungen wie Handball-Länderspiele, Tanzsport-Weltmeisterschaften, die Profiboxnacht 2017, die UEFA-Eliterunde der U17-Fußball-Nationalmannschaft 2015 oder die Deutschen Meisterschaften im Tischtennis (2014) in der Domstadt ausgetragen wurden. Die Sportbegeisterung der Wetzlarer zeigt sich insbesondere auch beim jährlich stattfindenden Brückenlauf, wenn 3.700 Läufer für einen sozialen Zweck miteinander Sport treiben. Ob Breiten- oder Spitzensport, die Erfolgsstory der Sportstadt Wetzlar scheint jetzt erst richtig los zu gehen.
Nico Scheck