Wetzlar mit allen Sinnen erleben

Herzstück der barrierefreien Angebote ist der Altstadtrundgang per Audioguide, der sich vor allem an sehbehinderte Gäste richtet, aber auch gleichermaßen von Sehenden genutzt werden kann, die die Wetzlarer Altstadt unabhängig von einer gebuchten Stadtführung auf eigene Faust erkunden möchten. Doch der Unterschied zu „normalen“ Audioguides liegt im Detail: Neben den geschichtlichen Hintergründen gibt die App sehr genaue Informationen zu der jeweiligen Lage und Wegeführung, so dass man eben auch als sehbehinderter Mensch bestmöglich durch die Altstadt gelenkt wird. Dazu gibt es sehr bildhafte Beschreibungen der einzelnen Details der beim Rundgang angesteuerten Gebäude.

Ausgangspunkt für den knapp einstündigen Audioguide (reine Hörzeit!), der über die App „Hearonymus“ abgerufen werden kann, bildet das Bronzemodell der Wetzlarer Altstadt an der Südseite des Wetzlarer Domes. Das Modell im Maßstab 1:500 bildet das erste des 28 Kapitel umfassenden Audioguides, der Gäste von der Südseite des Domes über den Lottehof und den Kornmarkt durchs sehenswerte Gassen und Pfade zum Schillerplatz, zur Alten Lahnbrücke und schließlich zum Fischmarkt und zurück zum Schlusspunkt auf dem Domplatz führt. Zu sehen ist eine Stadtansicht, die auch den ehemaligen Verlauf der Stadtmauer beinhaltet. Auch für Blinde und Sehbehinderte ist das Modell geeignet: Dank ergänzender Legende in Braille-Schrift kann die Altstadt auch ertastet werden. Hergestellt wurde das 180 Kilogramm schwere Modell, das auf einem 2,5 Tonnen schweren Steinsockel sitzt, von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker in Sinn. Der Lions-Club Wetzlar hat das Modell gestiftet.

Station 3 des Audioguides, dessen Erstellung ebenfalls vom Lions-Club durch eine Spende unterstützt wurde, bildet die Hauptwache. Bei der Hauptwache wird die detaillierte Beschreibung der verschiedenen Wetzlarer Gebäude erstmals besonders deutlich. Dass der Schriftzug Hauptwache in großen grauen Lettern auf dem Gebäude prangt, mag für Sehende eher befremdlich wirken – es macht aber einmal mehr deutlich, wie stark wir über den Sehsinn geprägt sind. Prägnant zeigt sich dies ebenfalls am Kornmarkt mit der Beschreibung der lebensgroßen Statue des Römischen Kaisers, der an jenem Haus prangt, das einst als Ball- und Festsaal diente sowie mit der detailreichen Beschreibung der Eckständer am Fachwerkhaus der Schmiedgasse 1, in dem einst Goethes Großtante, die Hofrätin Lange, lebte.

Wichtig für die Menschen mit Beeinträchtigung des Sehsinnes: Klare Entfernungsangaben bei der Route sowie Hinweise auf Treppen oder Hindernisse wie Poller. Der äußerste Punkt der Strecke führt zum Säuturm in der ehemaligen Stadtmauer in der Turmstraße, der einst Schneiderturm hieß und von selbigen instandgehalten und besetzt wurde. Über die Engelsgasse geht es zum Palais Papius und zum Reichskammergerichtsmuseum, über den Ludwig-Erk-Platz zum Schillerplatz mit Franziskanerkirche und Jerusalemhaus über den Steighausplatz mit den Stadtmauerresten, vorbei am Jüdischen Friedhof „hinter der Stadtmauer“, zur Alten Münz am Eisenmarkt über die Alte Lahnbrücke und den Haarplatz mit der Hospitalkirche zurück zum Fischmarkt mit dem ehemaligen Reichskammergericht, das heute ein gemütliches Café beherbergt. Die letzten Stationen bilden der Brodschirm mit Wetzlars ältestem Fachwerkhaus und August Bebels ehemaligem Wohnhaus. Der Rundgang endet schließlich vor der Tourist-Information am Domplatz.

Auch dort hat man sich über das Thema Barrierefreiheit bereits Gedanken gemacht: 2016 wurde die Tourist-Information erstmals vom Projekt „Reisen für alle“ geprüft und zertifiziert. Im Dezember 2023 erfolgte die Begehung für die Nachzertifizierung. Anja Zarge von der Tourist-Information erklärt, dass es sich bei der Zertifizierung um die Erhebung des Ist-Zustandes handele, nicht um eine Bewertung: „Wir sind mit der Tourist-Information in einem denkmalgeschützten Haus ansässig“. Hier (https://shorturl.at/duwHR) kann man abrufen, welche Gegebenheiten vor Ort herrschen und welche Hilfestellungen und Angebote es für beeinträchtige Gäste (Hier werden unter anderem folgende Punkte in Betracht gezogen: Behindertenparkplatz in unmittelbarer Nähe, Rollstuhlrampe, angemessene Türbreiten, akustische Signale etc.). Auch was fehlt, ist hier nachzulesen, bevor die Reise angetreten wird.

Neben den Audioguides, die nicht nur für den Altstadtrundgang, sondern auch auch für verschiedene Wetzlarer Museen zu bekommen sind (Lottehaus, Viseum, Palais Papius und Reichskammergerichtsmuseum), wird auch ein Videoguide für Gehörlose in Gebärdensprache angeboten. Dieser kann für ein geringes Entgelt bei der Tourist-Information (2 Euro für eine Person, 2,50 Euro für zwei Personen) ausgeliehen werden. Das Video dauert 30 Minuten.

Zu guter Letzt gibt es auch eine Stadtrallye, die für Schülergruppen und ähnliche Formationen konzipiert wurde. Diese ist auch in leichter Sprache verfügbar. Außerdem in Englisch und Spanisch auf leichter Sprache. Leichte Sprache ist für viele Menschen einfacher zu verstehen. Zum Beispiel für Menschen mit Lernbehinderung, gehörlose Menschen oder Menschen mit Deutsch als Fremdsprache. Die Stadtrallyes stehen hier zum Download zur Verfügung: https://www.wetzlar.de/tourismus/entdecken-und-erleben/stadtrallyes/stadtrallyes.php#SP-grouplist-1-1:2

Die Lösungen zur Stadtrallye gibt es in der Tourist-Info. Sie sind natürlich auch in leichter Sprache geschrieben.