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In Wetzlar ist am Donnerstag, 13. Januar, mit einer „Kickoff“-Veranstaltung im Beisein von Staatssekretär Jens Deutschendorf, Hessisches Wirtschafts- und Verkehrsministerium, der offizielle Startschuss für ein außergewöhnliches, bisher einmaliges Verkehrsprojekt gefallen, um negative Folgen von Baustellen für den Verkehr abzumildern.
Unterhalb der B49

Mit der Ende 2027 anstehenden Außerbetriebnahme und Sperrung des B-49-Brückenzuges in Wetzlar kommen auf die 53.000-Einwohner-Stadt  in den nächsten Jahren mehrere Großbaustellen zu: Der B-49-Neubau muss in Angriff genommen werden, gleichzeitig müssen Übergangslösungen für den Ost-West-Verkehr geschaffen werden. Um für diese verkehrlichen Herausforderungen in allen Lebensbereichen gewappnet zu sein, hat sich die Domstadt um ein Pilotprojekt der Innovationsinitiative „mFUND“ des Bundes beworben, das Verkehrsdaten erstmals mithilfe Künstlicher Intelligenz auswertet, um den von Baustellen beeinträchtigten Verkehr möglichst optimal steuern zu können. Es trägt den Namen „VerkehrsLösungen für komplexe Umbauszenarien auf der Grundlage Intelligenter Datenauswertung“ (VLUID). Das Projekt hat am 1. Oktober 2021 begonnen und wird über eine Laufzeit von drei Jahren vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit drei Millionen Euro gefördert. „Ziel ist es, das reguläre Baustellenmanagement anhand von Verkehrsdaten aus verschiedenen Quellen zu ergänzen und zu optimieren, damit während der Umbauphase der B 49 durch Hessen Mobil die Mobilität in der Stadt aufrecht erhalten bleibt“, erklärt Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD). Dabei sollen damit auch erstmals Verkehrsdaten aus Wetzlar in einem „Datenraum Mobilität“ bereitgestellt werden. So wäre es dann z.B. möglich über eine neue Verkehrs-App jederzeit aktuelle Infos zur Verkehrssituation in der Innenstadt abzurufen. 

Durch die Vernetzung der Datenquellen zu Kfz-Verkehr, ÖPNV, Parksituation oder Bahn mittels Künstlicher Intelligenz sollen integrierte und innovative Begleitmaßnahmen für alle Verkehrsteilnehmer erarbeitet und umgesetzt werden. Die lokalen wie überregionalen Verkehrsströme mit konkreten Maßnahmen bestmöglich durch ein schwieriges Umfeld zu lenken, ist die Aufgabe eines Teams im Wetzlarer Rathaus, das gerade zusammengestellt wird und für das u.a. ein Verkehrsplaner und ein Mobilitätsplaner eingestellt werden. Gemeinsam mit den Experten der anderen Projektbeteiligten wird dieses Team daran arbeiten, die Projektziele von VLUID zu verwirklichen. 

Das Projekt besteht aus zwei Phasen. In den ersten eineinhalb Jahren werden im Gespräch mit Experten und Betroffenen verschiedenste Lösungsansätze in einem Katalog zusammengetragen, die durch die digitale Verknüpfung von Systemen und den Einsatz neuer KI-Technologien zur besseren Erfassung der komplexen Verkehrssituationen oder zur optimierten Steuerung der Verkehrsflüsse dienen könnten. Parallel werden die vorhandenen Systeme der Stadt und des Landes an eine neue Datenplattform angebunden und zusätzliche Sensoren installiert, um mit den gesammelten Daten die Wirkung dieser potentiellen Maßnahmen abzuschätzen. Die Abschätzung der Wirkungen wird dabei nicht nur die Flüssigkeit des Verkehrs, sondern auch weitergehende volkswirtschaftliche Kriterien umfassen, beispielsweise die eingesparten Kosten aus dem vermiedenen Stau für den Warentransport des Gewerbes. Hierfür Methoden zu entwickeln ist ebenfalls Bestandteil des Projekts. 

In der zweiten Phase des Projekts werden die vielversprechendsten Maßnahmen im Projekt ausgewählt, als Prototypen umgesetzt, erprobt und abschließend auf Basis von Messdaten in ihrem Nutzen für die Verkehrsteilnehmer und der Eignung für einen großflächigen Betrieb während der Baustellenphasen in den Folgejahren bewertet. Bereits jetzt liegen erste Ideen beispielsweise zur Schaffung eines App-basierten Informations-Service für Pendler, zur temporären Einrichtung von mobilen digitalen Straßenschildern, zur intelligenten Gestaltung von Park & Ride-Angeboten in Zusammenarbeit mit den Wetzlarer Verkehrsbetrieben vor. 

Eine besondere Innovation in diesem Projekt ist die Vernetzung der angeschlossenen Systeme über den genannten Datenraum Mobilität. Der stellt sicher, dass jeder Lieferant von Daten bestimmen kann, wer die Daten für welche Zwecke verwenden darf. Auf diese Weise können Unternehmen der Privatwirtschaft sensible Geschäftsdaten bereitstellen, ohne Sorge vor einer missbräuchlichen Verwendung haben zu müssen. Umgekehrt können Maßnahmen spezifischer auf die Bedürfnisse dieser Firmen ausgerichtet werden. Denkbar ist etwa die Berücksichtigung von Zeitplänen für die Anlieferung von Gütern durch Logistikunternehmen. So kann am Ende ein Geben und Nehmen über einen solchen Datenraum entstehen, von dem alle Partner und letztlich dann auch alle Verkehrsteilnehmer profitieren. 

Die Ergebnisse des Projekts sollen als Muster für andere Städte und Regionen mit ähnlichen Verkehrsproblemen diesen. Hierzu wird in den letzten Monaten dieses dreijährigen Projekts ein Organisationsleitfaden erstellt, den andere Städte und Behörden, die vor großen Straßenbaumaßnahmen stehen, verwenden können, um von den in VLUID entwickelten und erprobten Lösungen zu profitieren. Geplant ist – wie in solchen mFUND-Projekten üblich – dass die beteiligten Partner ihre Ergebnisse auch auf Konferenzen und in Arbeitskreisen präsentieren werden, um dem Anliegen des BMDV gerecht zu werden, einen möglichst breiten Nutzerkreis zu erreichen.

Oliver Luksic, parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr unterstreicht:  „Baustellen haben einen enormen Einfluss auf den Alltag vieler Menschen in unserem Land. Auch wenn die Baustellen von heute für eine bessere Infrastruktur von morgen stehen, leiden vor allem Pendlerinnen und Pendler täglich unter deutlich längeren Wegen und Fahrtzeiten. Mit Echtzeitdaten und Künstlicher Intelligenz versuchen wir in diesem Projekt die Verkehrsführung im Umkreis der Baustellen deutlich zu verbessern. Die Erfahrungen, die wir hier machen, fließen dann in die Planungen der vielen anstehenden Projekte in ganz Deutschland ein.“

Staatssekretär Deutschendorf sieht in dem Projekt eine große Chance: „Straßenbau zu planen und so zu organisieren, dass er den Verkehr so wenig wie möglich beeinträchtigt, ist eine hochkomplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Hessen Mobil hat sich dabei in den vergangenen Jahren große Expertise erarbeitet. VLUID geht jedoch über das bisherige Baustellenmanagement hinaus und verspricht neue Möglichkeiten. Ich bin überzeugt, dass dieses Projekt erheblich dazu beiträgt, die mehrjährige Phase der Großbaustellen in Wetzlar erfolgreich zu bewältigen.“ 

In der dreijährigen Laufzeit des Projekts sind als Projektpartner der Stadtverwaltung die Straßenbauverwaltung des Landes, Hessen Mobil, die Wetzlarer Verkehrsbetriebe Gimmler, das [ui!] Urban Software Institute aus Darmstadt und die Technische Hochschule Mittelhessen beteiligt. Daneben hat eine Vielzahl von Institutionen und Firmen Ihre Unterstützung zugesagt. 

Über den mFUND des BMDV:

Im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND fördert das BMDV seit 2016 datenbasierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die digitale und vernetzte Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und durch die Bereitstellung von offenen Daten auf dem Portal mCLOUD. Weitere Informationen finden Sie unter www.mfund.de.