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Hohe Mauern versperren den Blick, und so wissen Viele nicht, dass sich in Wetzlar vom oberen Teil der Bergstraße bis hin zur Frankfurter Straße ein wahres Kleinod erstreckt: Der Alte Friedhof. Wer also einmal Lust auf einen Spaziergang hat, dem sei eine Runde dort zu empfehlen, denn dieser Friedhof ist mehr als eine letzte Ruhestätte. Hier ruhen nicht nur viele „prominente“ Wetzlarer aus früheren Tagen wie Ernst Leitz oder Moritz Hensoldt, sondern die parkähnliche Anlage ist seit kurzem auch um eine Attraktion reicher: Seit Donnerstag, 6. Juni 2019, läuft wieder Wasser über die Kaskaden vor der Kapelle. Das gibt ein beeindruckendes Bild ab.
Kapelle Alter Friedhof
Die expressionistische Kapelle wurde 1928 neu gebaut. © Sabine Glinke

1928 zusammen mit der expressionistischen Kapelle, die die einstige Friedhofskapelle ersetzte, gebaut und bis in die 60er Jahre in Betrieb, waren die historischen Kaskaden lange Zeit komplett in Vergessenheit geraten: Die Becken waren mit Erde verfüllt worden und nicht mehr sichtbar. Anfang der 2000er-Jahre stieß ein Team des Stadtbetriebsamtes unter der Leitung von Rainer Hasse bei Arbeiten darauf – der Sachgebietsleiter ließ daraufhin die Becken wieder freilegen. Bereits seit den 90er Jahren war die Wiederinbetriebnahme der Kaskaden diskutiert worden. Nun wurde die in die Jahre gekommene und bröckelnde Anlage saniert und wieder in Betrieb genommen.


Aufwändige Technik

Ansicht der Kaskaden vor der Sanierung.
Ansicht der Kaskaden vor der Sanierung © Stadt Wetzlar

„Das war deutlich aufwändiger, als ich zunächst angenommen hatte", räumt Sachgebietsleiter Rainer Hasse ein. Denn die Anlage läuft nicht etwa mechanisch, wie man das etwa aus dem Bergpark in Kassel kennt, sondern verbirgt eine aufwändige Technik, die das über den Boden weglaufende Wasser wieder nach oben pumpt und außerdem für eine regelmäßige Einstreuung von Chemikalien sorgt, damit die Becken nicht veralgen. Auch Architektin Stefanie Muskau - das Architekturbüro Seidel + Muskau aus Wettenberg war 2017 per Ausschreibung für die Planung gewonnen worden - sprach bei der Eröffnungsfeier von einem "verheerenden Zustand", in dem sich die Kaskaden befunden hätten. "Zwei Winter mehr und man hätte die Anlage aufgeben müssen". Immer wieder war die geplante Sanierung verschoben worden - "ein frustrierendes Unterfangen", wie Stadtarchivarin Irene Jung, die die Historie des "einmaligen Denkmals" aufgearbeitet hat. 2018 starteten endlich die Sanierungsarbeiten, für die man die Firma Baukult aus Hatzfeld gewonnen hatte. Die Arbeiter begannen zunächst, das lose Material an den sechs Becken und den umgrenzenden Natursteinmauern zu sichern und die Bruchsteine abzuräumen. „Die Witterung 2018 kam uns sehr entgegen", berichtet Hasse, denn bis spät in den November hinein konnte an der Anlage gearbeitet werden. Für die ausgeklügelte Wassertechnik zeichnet die Fachfirma Richter + Borchert aus Neu-Isenburg verantwortlich.

Vergleichbare Anlage nur in München

Die Kaskaden in neuem Glanz.
Die Kaskaden in neuem Glanz. © Sabine Glinke

Rund 300.000 Euro hat die neue Anlage gekostet – finanziert wird das Ganze aus privaten Spenden (unter anderem vom Wetzlarer Bürgerverein), Zuschüssen der Stiftung Denkmalschutz und des Landesamtes für Denkmalpflege sowie dem städtischen Haushalt. Nun laufen die Wasserspiele täglich von 8 bis 18 Uhr durchgängig – ob das so bleibt, wird ein Testlauf zeigen. „Wir müssen schauen, wieviel Wasser verdunstet, wieviel Energie das kostet", sagt Hasse. Der Anblick der mächtigen Kaskaden – aktuell blüht links und rechts der Rhododendron - mit der Kapelle und dem mittlerweile stillgelegten Krematorium dahinter sucht jedenfalls ihres Gleichen. Eine vergleichbare Anlage gibt es nur auf dem Ostfriedhof in München. Dort waren die Kaskaden allerdings während des Zweiten Weltkrieges zerstört worden. „Ich denke, die Kaskaden werden dem Alten Friedhof wieder mehr Besucher bringen, die in der Anlage flanieren", sagt der Sachgebietsleiter.


Viel zu entdecken

Der Aussichtsturm steht direkt an der Frankfurter Straße.
Der Aussichtsturm steht direkt an der Frankfurter Straße. © Sabine Glinke
Das Grab der Industriellenfamilie Ernst Leitz.
Das Grab der Industriellenfamilie Ernst Leitz. © Sabine Glinke

Auf dem Alten Friedhof gibt es entsprechend viel zu entdecken. Neben dem Aussichtstürmchen ganz im Nordosten der 1881/82 angelegten und 1923 bis 1925 um den südlichen Teil erweiterten Anlage kann man hier auch prunkvolle alte Gräber wichtiger Wetzlarer Bürger sehen – darunter das Familiengrab der Industriellenfamilie Ernst Leitz, die Ruhestätte vom Philologen, Goetheforscher und Wetzlarer Museumsgründer Heinrich Gloel oder das mit einer majestätischen Statue geschmückte Grab des Optik-Unternehmers Moritz Hensoldt.

Alleen wie diese Eichenallee sorgen für Parkatmosphäre.
Alleen wie diese Eichenallee sorgen für Parkatmosphäre. © Sabine Glinke

Urige Bäume und Alleen aus Eichen oder Birken säumen die Wege, Efeu umrankt die altehrwürdigen Mauern. In jedem Winkel gibt es etwas zu entdecken. Stadtarchivarin Dr. Irene Jung bezeichnete die Anlage als "Gartenkunstwerk". Doch der Alte Friedhof bietet nicht nur die große Historie – seit einigen Jahren wird die Ruhestätte auch wieder regulär belegt. Neben regulären Erdgräbern stehen auch Urnengräber, Baumgrabstätten und anonyme Grabstätten zur Verfügung.


Das Grab des Wetzlarer Museumsgründers Heinrich Gloel.
Das Grab des Wetzlarer Museumsgründers Heinrich Gloel. © Sabine Glinke
Auch der Optik-Unternehmer Moritz Hensoldt liegt hier begraben.
Auch der Optik-Unternehmer Moritz Hensoldt liegt hier begraben. © Sabine Glinke

Öffentliche Führungen

Der Friedhof ist täglich bis Anbruch der Dunkelheit für Besucher geöffnet. In dieser Saison bietet die Tourist-Information auch noch zwei öffentliche Führungen über den Alten Friedhof an. Termine sind Samstag, 15. Juni um 10.30 Uhr und Samstag, 7. September um 14 Uhr. Treffpunkt ist jeweils am Parkplatz alter Friedhof (Bergstraße). Karten sind zum Preis 4 Euro (ermäßigt 2 Euro) bei der Tourist-Information, Domplatz 8, Wetzlar, Telefon: 06441-997755, E-Mail: tourist-infowetzlarde, sowie bei vielen bekannten Vorverkaufsstellen und online im Ticketshop unter www.wetzlar-tourismus.de erhältlich.

Auskunft und Kontakt

Weitere Informationen erhalten Sie online unter: www.wetzlar.de

Die Kaskaden in neuem Glanz. Sabine Glinke
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