Möbelstücke mit Geschichte(n)
Man kann das Palais Papius in Wetzlar und die darin befindliche Möbelsammlung von Irmgard von Lemmers-Danforth bei einer Führung besuchen oder sich selbst per Audioguide durch die Sammlung navigieren. Oder man unterhält sich einfach mit Marion Schiller, die beim Wachdienst arbeitet. Seit 22 Jahren ist Schiller mit dem Palais Papius und der Sammlung von Möbeln aus Renaissance und Barock eng verbunden - und kann fast zu jedem Ausstellungsstück eine ganz eigene und persönliche Geschichte erzählen.
Das hat gute Gründe, denn Marion Schiller hat nicht nur viele Jahre lang für die Stadt Wetzlar und die städtischen Museen gearbeitet, sondern auch selbst in einer der Wohnungen im Palais Papius gewohnt - Tür an Tür mit Hildegard Pletsch, der Lebensgefährtin der Sammlerin und Kinderärztin von Lemmers-Danforth. Einige Umzüge der Möbel hat sie miterlebt, sie weiß genau, welches Stück man wie auseinander baut und hat die Möbel nach eigenen Angaben auch schon häufig abgestaubt. Und die im Jahr 1951 Geborene hat noch weitere Erinnerungen an die Schöpferin der Möbelsammlung parat: Sie selbst wurde als Kind in der Praxis der Doktorin behandelt. Denkt sie daran zurück, läuft ihr ein Schauer über den Rücken: "Als Kind war das gar nicht toll, ich bin da nicht gerne hingegangen. Diese dunklen, muffigen Möbel und die gruseligen Lüster - das war alles irgendwie Furcht einflößend". Denn ihre Sammelleidenschaft lebte Dr. Irmgard von Lemmers-Danforth nicht nur in ihrer Wohnung, sondern eben auch in der Praxis aus. Marion Schiller zeigt einen kleinen sechseckigen Tisch mit einer Marmorplatte: "Auf diesem Tisch wurden die Kinder früher behandelt. Ich bin mir sicher: Ich habe da auch einmal drauf gelegen".
Rund 450 Exponate
Beim Rundgang durchs Palais wird deutlich: Marion Schiller kennt fast zu jedem Ausstellungsstück ein spannendes Detail. "Nein, ich kann nicht zu jedem Möbelstück etwas erzählen. Wir haben hier fast 450 Exponate", sagt sie. Nun - aber zu fast jedem. Viel von ihrem Wissen hat sie sich angelesen, in zahlreichen Führungen im Palais Papius weitergegeben, vieles hat sie auch von Hildegard Pletsch erfahren. Die deutlich jüngere Lebensgefährtin der Doktorin überlebte diese um satte 21 Jahre - Hildegard Pletsch starb 2005. "Sie war schon ein bisschen sonderbar zuletzt", berichtet Marion Schiller, aber eben so sonderbar, wie alte Leute nun mal seien. Nicht immer sei die alte Dame freundlich gewesen, erinnert sie sich, aber zuletzt, sie habe sie noch einmal im Krankenhaus besucht, "da hat sie sich bei mir entschuldigt, dass sie manchmal so unfreundlich war". Dafür, erinnert sich Marion Schiller, habe die alte Dame auch das ein oder andere Mal "aus dem Nähkästchen geplaudert". Ihr Wissen über die Exponate in der Sammlung ist unerreicht: "Ich bin mit 66 die Älteste hier - als ich hier angefangen habe, war ich die Jüngste". Sie fühlt sich mit dem Gebäude und den Möbeln - das Museum wurde 2012 nach mehrjähriger Sanierung wiedereröffnet - sehr verbunden. "Ich habe sehr lange hier gewohnt und unter den Museen war es immer mein Lieblingsmuseum".
Faible für "altes Gelärr"
Lieblingsstück: Kabinettschränkchen
Hat sie denn auch ein Lieblingsstück im Museum? Nun, von der Elefantenuhr ist sie ganz fasziniert. "Ein Wunderwerk der Technik", erzählt sie, auch wenn sie die Uhr selbst nie habe laufen gesehen. Am besten gefallen ihr persönlich jedoch die Kabinettschränkchen mit den vielen kleinen Schubladen. Und wie gefällt ihr das Museum seit der Sanierung? Es habe sich einiges verbessert, freut sie sich, heller sei es und einladender, seit die dicken, roten Vorhänge verschwunden seien. Dem leichten Mief vergangener Tage trauert Marion Schiller demnach nicht hinterher. "Man muss doch moderner werden", ist sie überzeugt, dass die Ausstellung im Palais Papius die Besucher zu begeistern weiß. Und wer die ein oder andere Anekdote über ein Möbelstück oder die Sammlerin Irmgard Lemmers-Danforth und ihre Partnerin Hildegard Pletsch wissen will, fragt an der Museumskasse einfach nach Marion Schiller. Heute arbeitet sie nicht mehr im Auftrag der städtischen Museen, sondern für den dort etablierten Wachdienst. An einigen Tagen haben die Besucher vielleicht Glück - und Marion Schiller zeigt ihnen ganz genau, wie die beiden Sammlerinnen einst gewohnt haben.