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Grenzsteine haben historische Bedeutung – Lapidarium zeigt Auswahl
Grenzstein Stadt Wetzlar
Ein Landesgrenzstein der Stadt Wetzlar. © Sabine Glinke

Sie sind teils mehrere tausend Jahre alt, tragen als Inschrift Buchstabenkombinationen wie GW, KP HMS oder SW und sind manchmal nur schwer zu entdecken: Grenzsteine. Wie der Name schon sagt, markierten sie einst Grenzpunkte eines Flurstücks. Auch in Wetzlar gibt es einige davon. Einige besondere Exemplare, die aus verschiedenen Gründen ihren Standort verlassen mussten, hat Daniel Singer, nach eigenen Worten „Grenzsteinbeauftragter" der Stadt, zusammengetragen. Sie sind im Grenzstein-Lapidarium an der Stadthalle in Wetzlar zu sehen. Immer „zwischen den Jahren" bietet Singer in Zusammenarbeit mit der Tourist-Information Grenzsteinführungen in der Wetzlarer Innenstadt an. Und das, obwohl im Bereich des „ursprünglichen Wetzlars" heute nur noch wenige Grenzsteine erhalten sind und an ihrem einstigen Platz zu finden sind.


Grenzstein-Lapidarium
Das Grenzstein-Lapidarium an der Stadthalle © Sabine Glinke

Reichsstadt Wetzlar war vergleichsweise klein

Wie klein die Reichsstadt Wetzlar im Jahr 1787 war, zeigt eine historische Karte am Grenzstein-Lapidarium. Während Wetzlar sich mit seinen neun Stadtteilen und seinen rund 73.000 Einwohnern heute auf einer Fläche von knapp 76 Quadratkilometern ausgedehnt hat, umfasste die einstige Reichsstadt Wetzlar gerade einmal einen Bruchteil davon (heutige Kern- und Altstadt). Erst im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wuchs die Stadt über ihre mittelalterlichen Stadtgrenzen hinaus. Eine erste Gebietsreform erfolgte 1932. Seine heutige Ausdehnung erreichte Wetzlar jedoch erst im Zuge der hessischen Gebietsreform im Jahr 1977.


Güterstein Wöllbacher Tor
Im Bereich Wöllbacher Tor versteckt sich ein Güterstein der Stadt Wetzlar. Wer entdeckt ihn? © Sabine Glinke

Die historische Karte am Grenzstein-Lapidarium zeigt, wie viele Grenzen es einst innerhalb des heutigen Stadtgebietes lagen – die selbstständige Reichstadt Wetzlar war „umzingelt" von den Fürstentümern Solms-Braunfels, und Nassau-Weilburg sowie der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Mit dem Kloster Altenberg gehörte auch ein reichsunmittelbarer Bereich zum heutigen Stadtgebiet. Von den einstigen Grenzsteinen sieht man innerhalb der Kernstadt nur noch wenige – und oft muss man sehr genau hinsehen, um sie zu entdecken. Am Wöllbacher Tor etwa, im Bereich der Caritas und nahe der Überreste der ehemaligen Stadtmauer, lohnt es sich etwa, genauer hinzusehen. Ein Grenzstein aus Lahnmarmor, mit einem W für Wetzlar markiert, findet sich dort, ein Stück von seinem ursprünglichen Standort entfernt, in eine Mauer eingelassen. „Dieser Stein wurde im Zuge von Bauarbeiten umgesetzt" weiß Singer, der im Stadtgebiet schon zahlreiche Grenzsteine „gerettet" hat, als sie drohten, Bauarbeiten zum Opfer zu fallen. Die Tage eines anderen sind bereits gezählt: Ein Grenzstein an der Konrad-Adenauer-Promenade, unweit des Amtsgerichtes, wird in Kürze im Zuge von Bauarbeiten verschwunden sein. „Kann man den nicht umsetzen, etwa in den Park?" fragt eine Teilnehmerin. Der Stadtführer schmunzelt: „Dafür sind die Grenzsteine nicht mehr bedeutend genug". Über 50 solcher Steine gab es einst in der Kernstadt, hunderte davon hat Daniel Singer selbst im gesamten Stadtgebiet kartiert.


Blick ins Grenzstein-Lapidarium
Blick ins Grenzstein-Lapidarium. © Sabine Glinke

Unterschiedliche Steine

Die Unterschiedlichkeit der Grenzsteine, nicht nur in der Geologie, wird auch im Grenzstein-Lapidarium deutlich. Hier sind unterschiedliche bedeutende Grenzsteine aus dem Stadtgebiet zu sehen, die auf Grund von Baumaßnahmen an ihrem Standort weichen mussten. Während innerhalb der Kernstadt vornehmlich in den Boden oder Mauern eingelassene Steine vorkamen, sind Grenzsteine in Feld- und Waldgemarkungen oftmals mehrere Dezimeter hoch – und ragen genauso tief mit einem Sockel in die Erde. Sie sind mit Buchstabenkombinationen versehen, oftmals auch mit Wappen. So steht SW etwa auf einem Landesgrenzstein der Stadt Wetzlar, KP kennzeichnet in gleicher Form das Königreich Preußen (1818 wurde Wetzlar preußisch). Im Lapidarium ist darüber hinaus auch ein sogenannter Dreimärker – ein Grenzstein, der das Aufeinandertreffen von nicht nur zwei, sondern drei Gemarkungen markiert – zu sehen. Darüber hinaus werden so genannte Gütersteine gezeigt, die etwa kirchlichen Grundbesitz markieren – so etwa ein Güterstein mit der Inschrift HG. Dieser kennzeichnete den Besitz des Heilig-Geist-Hospitals, das im historischen Wetzlar außerhalb der Stadtmauern lag.


Grenzstein Säuturm
Ein Landesgrenzstein des Großherzogtums Hessen - Königreich Preußen mit Blick auf den Säuturm. © Sabine Glinke

Grenzsteine selbst entdecken

Doch wo kann man denn in Wetzlar außerhalb des Lapidariums Grenzsteine sehen, wenn sie in der Kernstadt ja doch alle fast verschwunden sind? Daniel Singers Kartierung zeigt: Eine wahrhaftige „Grenzstein"-Schnitzeljagd ist etwa rund um das Finsterloh-Areal bei Büblingshausen möglich. Der mögliche Einstieg erfolgt über die Straße „Am Pfingstwäldchen" und die Verlängerung von „Unter dem Nußbaum" durchs Feld, oberhalb des Welschbachs entlang, rund um den Finsterloh und schließlich an der L 3360 entlang in Richtung Stoppelberg. Wahlweise kann man vorher auch einen Abstecher in Richtung Autobahn A 45 und Münchholzhausen wählen. Viele Grenzsteine finden sich außerdem im Bereich der Kühmark bei Garbenheim und weiter über den Spitzenberg im Bereich der Autobahnanschlussstelle Wetzlar-Süd in Richtung Dutenhofen. So kann man jederzeit seine ganz eigene Grenzsteinwanderung kreieren. Doch was hat es eigentlich mit den Grenzgängen auf sich, die regelmäßig zwischen den Jahren Wanderer anlocken? Die Grenzgänge gehen auf die früheren Grenzgänge zurück: Immer zum Jahresende wurden die Grenzen abgelaufen, um die Grenzsteine zu kontrollieren. Entfernen oder Verrücken stand unter Strafe. Auch heute ist es nicht erlaubt, einen Grenzstein mit nach Hause zu nehmen. Die Grenzgänge zwischen den Jahren haben allerdings nur noch wenig Bedeutung – hier geht es mehr um das gesellige oftmals feucht-fröhliche Beisammensein.